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Channel: Seite 47 – Unser Havelland (Falkensee aktuell)
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„Früher war ich älter“: Horst Evers hat die Falkenseer Stadthalle gerockt!

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Es ist ein Wunder, dass in der Falkenseer Stadthalle noch keine Spinnenweben hängen: In den letzten zwei Jahren fielen Corona-bedingt unglaublich viele Veranstaltungen aus. Am 10. Februar konnten 550 Besucher ihr Glück kaum fassen: Der bekannte Buchautor und Bühnen-Slammer Horst Evers durfte am anvisierten Termin tatsächlich auftreten und brachte die Zuhörer mit seinen wahnwitzigen Alltagsgeschichten über zwei Stunden lang zum Schmunzeln.

Um den im Alltag allgegenwärtigen Irrsinn konsequent aufspüren zu können, braucht man schon ein wenig Lebenserfahrung. Deswegen verließ der 1967 geborene Gerd Winter 1978 seinen Heimatort Diepholz und ging nach Berlin. Hier studierte er „ein bißchen“ Publizistik und Deutsch auf Lehramt, um nebenbei Geld als Nachhilfelehrer, Tresenperle, Meinungsforscher, Taxifahrer und Post-Eilzusteller zu verdienen.

Bei all diesen Aktivitäten lernte er doch recht zuverlässig das bodenlose Chaos, den grenzenlosen Irrsinn und die gehirnzersetzende Unlogik des Lebens kennen. Seit 1988 schreibt er seine Sicht auf die Dinge unter dem Pseudonym Horst Evers (horst-evers.de) auf – tief schneidend sezierend, aber zugleich mit einer gutmütigen Lustigkeit, die sofort klarmacht: Ja, das ist alles ganz, ganz schlimm. Aber amüsant es es doch irgendwie auch. Der Blick hinter die Kulissen des Lebens kam bei den Lesern und Zuhörern sehr gut an. Und so kündigte er 1993 seine 20-Stunden-Stelle bei der Post, um fortan vom Schreiben zu leben.

Horst Evers verfasst in der Regel kurze komprimierte Texte, die zu Büchern zusammengefasst werden, sobald ausreichend von ihnen vorhanden sind. So sind bei Rowohlt u.a. die Kollektionen „Es hätte alles so schön sein können“, „Der kategorische Imperativ ist keine Stellung beim Sex“, „Wäre ich du, würde ich mich lieben“ und – ganz neu – „Wer alles weiß, hat keine Ahnung“ erschienen.

Eine kräftige ballistische Durchschlagskraft bekommen Evers Texte, sobald er sie auf der Bühne vor Publikum vorträgt. Und so zieht er sehr gern mit seinen Leseprogrammen durch die deutschen Lande. Titel wie „Ich bin ja keiner, der sich an die große Glocke hängt“ oder „Früher war ich älter“ zeigen bereits auf, dass es hier um eine ordentliche Portion Wortwitz geht. 

Horst Evers: Mit „Früher war ich älter“ in der Falkenseer Stadthalle

Man könnte glauben, dass so ein süffisanter Wortklauberer, der mit dem feinen Florett die Absonderlichkeiten des menschlichen Verhaltens aufspießt, in der Bevölkerung weitgehend unbekannt ist.

Doch weit gefehlt. Innerhalb einer gewissen belesenen Bevölkerungsgruppe, die durchaus auch dazu in der Lage ist, über sich selbst zu lachen, scheint Horst Evers nicht nur bekannt, sondern regelrecht beliebt zu sein. Zu seiner gleich mehrfach wegen Corona verschobenen Premiere am 10. Februar 2022 in der Falkenseer Stadthalle schauten gleich 550 Besucher vorbei – in der bestuhlten Halle blieb kein Platz mehr frei.

Gut gelaunt schwadronierte Horst Evers immer wieder in kurzen Exkursen über das In-Thema Corona, um dann aus seinen Texten vorzulesen. Da ging es u.a. um das eigene Alter, das Horst Evers inzwischen erreicht hat: „Wenn ich mir heute in der U-Bahn begegnen würde, würde ich mir selbst einen Platz anbieten.“

Oder um die kleinen Erfolgserlebnisse, die man sich im Alltag gönnen kann: „Ich persönlich warte gerne auf den Bus. Und wenn er kommt, steige ich nicht ein.“

Wie so viele von uns hat der Autor in der Corona-Zeit auch gewichtsmäßig zugelegt. Von acht Kilo spricht er. Und das in so kurzer Zeit. Das sei doch auch etwas, was man respektieren müsste. Sport wäre natürlich eine Lösung, um das Gewicht wieder zu reduzieren: „Ich mache ja sehr gern Sport, aber mein Körper eben leider nicht.“ 

Bei seinem Vortrag hält Horst Evers viele A-4-Seiten mit seinen Texten in der Hand. Früher seien es weniger Blätter gewesen, da war die Schriftgröße noch kleiner: „Ich brauche keine Brille, ich habe ja einen Drucker. Inzwischen gebe ich mein Alter in der verwendeten Schriftgröße an. Ich bin kurz davor, dass ich meine Texte nicht mehr vorlesen muss, weil das Publikum sie selbst vom Blatt ablesen kann.“

Königlich amüsieren kann sich der Autor selbst über Berlin und dessen Verschrobenheiten und Unzulänglichkeiten. Man muss sie nur entsprechend deuten. So kann Evers sogar dem Berlin-Brandenburger Flughafen BER nur Positives abringen: „Der BER ist doch ein wirklich nachhaltiger Flughafen. Er gibt einem die Muße, genau zu überlegen, wie dringend man wirklich fliegen möchte. Oder ob man nicht doch lieber Zuhause bleibt. Würden das alle Flughäfen machen, könnten wir den Flugverkehr sofort um 80 Prozent reduzieren.“

Bei all seine Geschichten gestikuliert, grimassiert und kichert Horst Evers mit – er lebt seine Erzählungen. Die Zuschauer in Falkensee dankten es dem Autor mit einer permanenten Kicher-Geräuschkulisse.

Besonders gut kam die Geschichte über eine Straße in Berlin an, in der alle Autos dank vier Baustellen sofort eingeparkt werden. Wie sich Horst Evers bei den Bauarbeitern beschwert, am Ende am Betonrührer landet, um dann von der Polizei im Rahmen einer Baustellenkontrolle auf die Wache mitgenommen zu werden: Klasse!

Wenn es um Corona geht, hat Horst Evers durchaus Respekt vor dem Wagemut der Falkenseer: „Ich habe es geschafft, mich in Falkensee auf dem Weg vom Bahnhof zur Stadthalle zu verlaufen. Dabei habe ich das mexikanische Restaurant ‚Coronita‘ entdeckt. Das war recht voll. Da dachte ich: Die Falkenseer kennen ja nix, die lassen sich auch vom Corona-Namen nicht davon abhalten, eine gute Zeit zu haben.“

Matthias Hoschek aus Wansdorf hat bereits mehrere Evers-Bücher bei sich Zuhause im Schrank zu stehen. Live hat er den Meister des Wortschalks in Falkensee zum ersten Mal gesehen: „Das war Wahnsinn. Wie er mitten in der Geschichte immer wieder die Richtung wechselt, neue Fäden aufnimmt und am Ende einen völlig neuen Blickwinkel auf Situationen eröffnet, die wir alle aus unserem eigenen Leben kennen, ist schon ganz hohe Unterhaltung.“

Der Wansdorfer nutzte auch gleich die Gelegenheit, Evers neues Buch am im Foyer aufgestellten Buchtisch zu kaufen und es sich nach der über zweistündigen Show (samt Zugabe) vor Ort vom Meister signieren zu lassen. (Text/Fotos: CS)

HIER geht es zu unserem Exklusiv-Interview, was wir vor dem Event mit Horst Evers geführt haben.

Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 192 (3/2022).

Der Beitrag „Früher war ich älter“: Horst Evers hat die Falkenseer Stadthalle gerockt! erschien zuerst auf Unser Havelland (Falkensee aktuell).


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