Die Geschichte eines Ortes liegt oft im Nebel, man muss sie sich Stück für Stück erarbeiten. Gabriele Helbig und Bert Krüger spielen oft genug Detektiv, wenn sie neue Fundstücke für das Museum und Galerie Falkensee in der Falkenhagener Str. 77 (www.museum-galerie-falkensee.de) überreicht bekommen.
Fotos, Bücher, Zeitschriften, Gemälde, Urkunden, Briefe, Plakate, Kleidungsstücke und Geschirr gehen meist als Spende in den Fundus des Museums über und schließen nach umfassenden Recherchen als kleine Puzzlestücke die Lücken im Wissen um die Vergangenheit Falkensees.
Am 17. Februar luden die beiden Museums-Forscher wie jedes Jahr im Februar zum Vortrag „Fundus mit Geschichte(n)“ ein. 70 Zuhörer nutzten in der Galerie die Gelegenheit, um beeindruckende, beklemmende, amüsante und vor allen Dingen spannende Geschichten zu hören.
Wie auch im vergangenen Jahr, so konnten die Besucher auch dieses Mal kuriose Gegenstände aus der eigenen Historie bestaunen. So etwa einen Zirkel aus dem „Gerätebau Brieselang“. Teller, Besteck und Gläser aus der Gaststätte „Mitropa Falkensee“, die damals am Bahnhof zu finden war. Das Science-Fiction-Buch „Asteroidenjäger“ des Falkenseer Autors Carlos Rasch, der damals in der heutigen Ringpromenade wohnte, und das unter dem Titel „Signale“ mit dem „DDR-Winnetou“ Gojko Mitic verfilmt wurde. Oder ein Plakat der Ortsleitung der SED, das 1959 dazu aufrief: „Bürger von Falkensee! Macht Falkensee zur schönsten Blumen- und Gartenstadt am Eingangstor Berlins!“ Bert Krüger: „Da waren die Genossen wohl etwas übereifrig, denn Falkensee wurde erst 1961 zur Stadt erklärt.“
Viele der Fundstücke zeichnen aber auch ein dunkles Stück Geschichte nach. Auf einer erhaltenen Bescheinigung vom 28. Juli 1945 heißt es: „Die Bürgerin K., Hildegard, ist berechtigt, von Falkensee nach Brandenburg an der Havel und zurück nach Falkensee zu reisen. Grund der Reise: Frau K. will versuchen, lt. beigefügter Bescheinigung ihren Mann (…) aus russischer Kriegsgefangenschaft zu befreien.“
Und in einer Belehrung vom 9. März 1978 schreibt der damalige DDR-Schuldirektor der Friedrich-Engels-Schule: „Bei einigen Schülern mussten wir feststellen, daß sie auf ihren Anoraks, Jacken, Kutten, Pullis, Hemden usw. Symbole der NATO-Staaten tragen (Gemeint sind in diesem Falle Staatsflaggen der USA; Bundesadler u. a.m.). Das ist grundsätzlich verboten. Die Pädagogen sind verpflichtet, sofort einzugreifen.“ Gabriele Helbig: „Es haben übrigens nicht alle Lehrer diesen Appell unterschrieben. Wir wissen aber nicht, ob sie zu dem Zeitpunkt krank waren oder sich der Belehrung widersetzt haben.“
Viele in Falkensee kennen noch die Fotografin Hanni Schimmel, die lange Jahre ein eigenes Geschäft im Ort betrieb und laut Gabriele Helbig „so gut wie jeden in Falkensee fotografiert hat.“ Von ihr sind unzählige Aufnahmen, der Meisterbrief und andere Dokumente in den Besitz des Museums übergegangen. Darunter auch ein Lebenslauf von 1974, der eine ganz neue Geschichte der Fotografin schreibt: „Von März 1933 bis 1941 besuchte ich die dortige Volksschule. Der Schulbesuch wurde nach der Verhaftung meines Vaters im Jahre 1938 zeitweilig unterbrochen, da ich am Unterricht nicht mehr teilnehmen durfte. Zu erwähnen wäre, daß ich als Mischling 1. Grades keine andere Schule mehr besuchen durfte, und daher mein Berufswunsch, Innenarchitektin, niemals verwirklicht werden konnte. Da mein Vater Jude war, hatte ich in der Nazizeit eine schwere Kindheit. Ich musste bei allen Angaben den Zusatz Mischling 1. Grades führen und bei der Erwähnung meines Vaters den Zunamen Israel hinzufügen. (…) Bereits 1937 wurde mein Vater gezwungen, die Fleischerei zu verkaufen. (…).“ Der Vater wurde in der Kristallnacht verhaftet und verschleppt und ins KZ gebracht, wie die Familie später erfuhr.
Gabriele Helbig: „Auch in diesem Jahr haben wir nur ein Drittel der neuen Exponate gezeigt, die uns in den letzten zwölf Monaten überreicht wurden. Wir freuen uns sehr, dass uns die Bürger so in unserer Arbeit unterstützen.“ (Fotos/Text: CS)