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Channel: Seite 47 – Unser Havelland (Falkensee aktuell)
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Ein Brückenbauer mit Empathie: Heinrich Gehrmann

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Er ist der erste und bislang einzige Ehrenbürger der Gemeinde Brieselang, eine Straße ist nach ihm benannt und er hat als besonderer, aber stets bescheidener Mensch zahlreiche Spuren hierzulande hinterlassen: das zumindest betonen viele Weggefährten, die ihn kennen und schätzen gelernt haben und sein Engagement als Pfarrer der katholischen Kirchengemeinde St. Marien in Brieselang auch heute noch würdevoll in Erinnerung behalten.

Am 1. März dieses Jahres wäre Heinrich Josef Gehrmann 100 Jahre alt geworden.

Er war ein Riese, nicht nur wegen seiner Statur. Nein, Heinrich Gehrmann, der mit einem Gardemaß von 1,96 Meter beeindruckte und aufgrund seiner Körpergröße liebevoll „Unser hoher Priester“ genannt wurde, hat in seiner Zeit als Pfarrer in Brieselang von 1975 bis 1992 das gesellschaftliche Leben maßgeblich mitgeprägt – vor, während und nach der Wende. Kein Wunder also, dass ihm nach einem Beschluss der Gemeindevertretung vom 19. März 1992 die Ehrenbürgerschaft verbunden mit den entsprechenden Bürgerrechten verliehen wurde. Die Ehrerbietung für ihn als bedeutende Persönlichkeit wurde seinerzeit als Ausdruck von „Würdigung für seine langjährige seelsorgerische Arbeit“ gesehen. Auch sein „erheblicher Einfluss während der Wende“ hatte zu der getroffenen Entscheidung geführt. Die feierliche Ehrung erfolgte am 1. Mai 1992. Der damalige Bürgermeister Richard Heynisch hielt die Laudatio.

Aber was für ein Mensch war Pfarrer Heinrich Gehrmann eigentlich? Welche Charakterzüge hatte er? „Er ist ein sehr überzeugter und religiöser Mensch gewesen, der immer standhaft geblieben ist“, betont beispielsweise die Brieselangerin Dorle Ahrens, die ihm mit ihrer Familie auch heute noch größtmöglichen Respekt zollt. „Er hat sehr schnell die Sympathien der Menschen vor Ort gewonnen. Er war ein Seelsorger, der zu jeder Tages- und Nachtzeit ansprechbar war. Pfarrer Gehrmann hat es grundsätzlich verstanden, Menschen zur Übernahme von Verantwortung zu motivieren. Mit wachem Blick schaute er auf die Welt – nicht nur kirchlich, sondern auch politisch. Er war ein Brückenbauer und vermittelte andere Werte – etwa zu DDR-Zeiten. Besonders lag ihm die Jugend am Herzen“, so Ahrens weiter.

Auch Andreas Vogel kannte Gehrmann gut. Der Steinmetzmeister aus Falkensee, der unter ihm in den 1970er Jahren die Kommunion in Brieselang gefeiert und auch Jugendfreizeiten mit ihm erlebt hat, spricht von einer „hilfsbereiten Persönlichkeit“. „Er hat stets den Menschen als Person wahrgenommen, ob Christ oder nicht. Er war für alle Menschen da.“ Vogel hatte im September des vergangenen Jahres gemeinsam mit seinem Sohn den Grabstein von Pfarrer Gehrmann nach Ende der 20-jährigen Liegezeit auf dem St. Pius-Friedhof Berlin nach Brieselang geholt. Auf dem hiesigen Waldfriedhof wird künftig ein Ehrenhain entstehen, der erste Gedenkstein ist der bis zu 300 Kilogramm schwere Grabstein des Pfarrers, der bereits angrenzend nahe des Grabs von Karl Szymczak, der ersten Ruhestätte auf dem Friedhof überhaupt, steht.

Gehrmann starb übrigens am 13. Dezember 1997 in Berlin. Knapp sechs Jahre später wurde am 16. November 2003 die Pfarrer-Gehrmann-Straße feierlich im Beisein des damaligen Kardinals Georg Sterzinsky, auch er kannte ihn persönlich und sprach während der Veranstaltung von einem „durch und durch spirituell lebenden Menschen“, der sich mit „ehrlicher Aufmerksamkeit anderen Menschen gewidmet hat“ (MAZ, 2003), freigegeben. Am offiziellen Festakt zur Namensweihe nahmen damals mehr als 80 Besucher teil, auch Michael Gehrmann, Neffe des Pfarrers. Die Familie Gehrmann ist noch heute berührt von der Ehrerbietung gegenüber ihrem verstorbenen Verwandten.

Die Vita von Pfarrer Gehrmann ist mit Blick auf die Wirren der Historie eine unter den Umständen besondere. Dagmar Vödisch, die sich genauso wie Dorle Ahrens mit Hochachtung seinem Leben und Wirken gewidmet hat, hat das seinerzeit in ihrer Rede zum Ausdruck gebracht. Er sei ein äußerlich und innerlich großer Mensch mit einer liebenswürdigen und bescheidenen Art gewesen. Doch leicht hatte er es wie viele Menschen in jenen Zeiten natürlich nicht.

Geboren wurde Heinrich Gehrmann am 1. März 1919 in Hammerstein, Westpreußen. In Pommern und Schlesien wuchs er zudem auf. Während der Zeit der Nationalsozialisten musste er aus ideologischen Gründen das Gymnasium verlassen. „Sein waches politisches Interesse und ausgeprägter Gerechtigkeitssinn brachten ihm kurz vor dem Abitur den Rauswurf ein“, so Ahrens rückblickend. Sie hat mit Gehrmann zu seinen Lebzeiten viele Gespräche geführt. 1938/39 wurde er zum Militärdienst eingezogen. Bei der Schlacht um Stalingrad geriet er in russische Kriegsgefangenschaft, er kam mit dem Leben davon, wenngleich er erst nach fünf Jahren völlig entkräftet, ausgemergelt und krank heimkehren konnte. „Ein aus den raren Brotkrumen heimlich gebastelter Rosenkranz war und blieb bis zuletzt sein Lebensbegleiter“, weiß Ahrens.

Die „unvorstellbaren Bedingungen“ hatten Spuren hinterlassen. „Seinen Glauben an Gott und an das Gute im Menschen hatte er während dieser Zeit jedoch nicht verloren“, so Vödisch.

Nach dem Theologie-Studium, das er 1948 begonnen hatte, wurde Gehrmann am 25. April 1954 in der St.-Johannis-Basilika zu Berlin zum Priester geweiht. Viele Stationen seines Lebens schlossen sich an, darunter Fehrbellin, Neuruppin, Stralsund und eben Brieselang. Hier gründete er 1976 die Kolpingfamilie. Vödisch lernte den Pfarrer, der einen Kinderchor gründete und ohnehin sehr musikalisch war, im Rahmen ökumenischer Gottesdienste, die er ins Leben rief, kennen. Er pflegte gute Kontakte zur evangelischen Gemeinde. Selbst ökumenische Skatabende veranstaltete er.

Und: Seine Nächstenliebe kannte keine Grenzen, weiß Ahrens zu berichten. Zu DDR-Zeiten hatte er ein Auto und wenn jemand Hilfe benötigte, fuhr er die Person zum Arzt. Er war Krankenhausseelsorger und kümmerte sich zudem um Behinderte. Gehrmann blieb mit Blick auf die politische Situation in der DDR verbunden mit den Repressionen, die er erlebte, „unerschrocken durch seine offene Art“, wie Vödisch berichtet. Er sprach den Menschen Mut zu, nicht nur in der Wendezeit. Schon in der Vor-Wendezeit öffnete er die Kirche für Friedensgebete sowie für politische Gespräche und Diskussionen. „Er stellte er sich schützend und selbstlos vor die bei ihm trost- und schutzsuchenden Menschen, gleich welcher Weltanschauung. Seine Anwesenheit verbreitete eine gewisse Sicherheit“, so Ahrens.

Im Herbst 1989 hat er ihren Angaben zufolge vielen Menschen Courage zugesprochen, indem sie hierbleiben sollten – verbunden mit dem Rat, Verantwortung zu übernehmen. In der Nachwendezeit appellierte Gehrmann: „Geht jetzt in die Politik, jetzt wird es Zeit“, habe er gesagt. Er selbst war dann Mitglied des Runden Tisches in Brieselang und später Vertrauensperson bei der ersten Einsicht der Stasiunterlagen mit Blick auf die ersten Kommunalpolitiker, die seinerzeit am 6. Mai 1990 erstmals wieder frei gewählt werden konnten.

Info: Am Sonntag, 24. März, findet für Pfarrer Heinrich Gehrmann ein Gedenkgottesdienst in der katholischen Kirche St. Marien in der Brieselanger Birkenallee ab 10 Uhr statt. Im Anschluss wird auf dem Waldfriedhof, dort steht seit September 2018 sein Grabstein, eine Gedenkveranstaltung mit Kranzniederlegung und Weihung des Grabsteins ab circa 11.30 Uhr zelebriert. Danach ist im Gemeindesaal der katholischen Kirche ab 12.15 Uhr eine Zusammenkunft geplant. Erwartet wird auch Dr. Peter Wehr, Dekan der Bundespolizeiseelsorge. Er hat Pfarrer Gehrmann ebenfalls zu Lebzeiten kennengelernt. (Fotos/Text: Gemeinde Brieselang/Rachner)

Dies ist eine Pressemitteilung, die der Redaktion zugeschickt wurde, und die wir zur Information der Bürger in der Region Havelland unredigiert übernehmen.

Der Beitrag Ein Brückenbauer mit Empathie: Heinrich Gehrmann erschien zuerst auf FALKENSEE.aktuell.


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