Die Mädchen sind in der Schule meist das Geschlecht mit den besseren Noten. Die heranwachsenden Frauen wissen auch nach dem Schulabschluss meist ganz genau, wie es mit ihrem Leben weitergeht, während bei den Jungs oft noch die große Ahnungslosigkeit herrscht. Trotzdem sind die Frauen in ihren späteren Lebensjahren noch immer in der Unterzahl, wenn es darum geht, wichtige Positionen etwa in der Wirtschaft oder in der Politik zu besetzen. Warum ist das eigentlich so?
In Brandenburg wurde am 31. Januar 2019 das Paritätsgesetz festgeschrieben, das beginnend mit der Landtagswahl 2024 dafür sorgen soll, dass die Listenplätze der Parteien im Reißverschlussverfahren gleichberechtigt mit Männern und mit Frauen besetzt werden. So sollen mehr Frauen in politische Ämter befördert werden. Kann noch mehr getan werden? Am 3. März trafen sich zum Auftakt der Brandenburgischen Frauentagswoche (die unter dem Motto „Hälfte/Hälfte – Ganz einfach“ steht) die drei Falkenseer Landtagskandidatinnen im Bürgerhaus Finkenkrug. Nicht zum Wahlkampf, sondern zum Partei-losgelösten „Frauen-Talk“ unter der Überschrift „Wofür streitest, wofür stehst du?“
Nach einem Brunch-Frühstück für die zahlreich ins Bürgerhaus geeilten Frauen aus der Gartenstadt stellte die Gleichstellungs- und Integrationsbeauftragte Stadt Falkensee Manuela Dörnenburg zunächst die drei Landtagskandidatinnen vor. Barbara Richstein (CDU) und Ursula Nonnemacher (Bündnis 90/Die Grünen) vertreten Falkensee bereits im Landtag, Staatssekretärin Ines Jesse (SPD) ist zum ersten Mal bei dieser speziellen Wahl mit dabei. Alle drei Frauen treten als Spitzenkandidatinnen für ihre jeweilige Partei an.
Als Veranstalter der lockeren Diskussionsrunde kümmerte sich der Bürgerverein Finkenkrug um einen reibungslosen Ablauf. Finanziert wurde der Nachmittag aus dem Bundesprogramm „Demokratie leben“ und damit aus dem Pool der lokalen „Partnerschaft für Demokratie“. Musikalisch wurde der Frauentalk sehr gut aufgelockert von der Berliner Sängerin Silke Breidbach, die als One-Woman-Show einige zur Veranstaltung perfekt passende Songs wie etwa das freche polyamorische Lied „Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre“ oder den Knef-Klassiker „Für mich soll‘s rote Rosen regnen“ am Klavier interpretierte.
An die Vorstellungen der drei Politikerinnen schloss sich ein entspanntes Gespräch an, das sich vor allem darum drehte, wie sich in Zukunft noch mehr Frauen für die Politik begeistern lassen.
Manuela Dörnenburg zeichnete dabei zunächst ein „Gruppenbild mit Dame“ und verwies darauf, dass jede erfolgreiche Frau in der Politik meist von sehr vielen Männern umgeben ist. Ines Jesse: „Tatsächlich arbeite ich gut und gerne mit Männern zusammen. Ich wünsche mir aber mehr Frauen in der Politik, weil sie doch noch einen ganz anderen Blick auf bestimmte Themen haben, der es wert ist, wahrgenommen zu werden. Erst letztens war ich wieder bei einer politischen Veranstaltung dabei, da kamen auf 600 Anwesende nur drei Frauen.“
Manuela Dörnenburg machte Mut und erklärte, dass in der Falkenseer Stadtverordnetenversammlung zu 41,7 Prozent Frauen aktiv sind. Bundesweit sind es im Durchschnitt nur 23 Prozent. Sie fragte provokant, ob man die Männer braucht, um Frauen in die Politik zu bringen.
Barbara Richstein, die übrigens mit 18 Jahren mit dem Fallschirmspringen angefangen hat: „Der Mann kann immer nur ein Türöffner sein, durchgehen müssen die Frauen durch diese Tür schon selbst. Und anschließend müssen sie sich auch beweisen. Frauen neigen noch immer dazu, sich klein zu machen. Männern passiert das eher selten. Wir Frauen müssen selbstbewusster werden.“
Ursula Nonnemacher, die ausgebildete Ärztin ist: „Im Artikel 3 des Grundgesetzes steht: ‚Männer und Frauen sind gleichberechtigt‘. Die Nichtbeachtung der Frauen ist demnach ein Verfassungsbruch par excellence. Wir brauchen den Blick der Frauen auf die Dinge. Sonst bauen wir immer nur Fußballplätze, aber keine Gymnastikhallen. Ich finde es richtig, dass Frauen 50:50 in der Politik vertreten sind.“
Barbara Richstein: „Wichtig ist dabei aber auch, in welchen Positionen die Frauen vertreten sind. Wir müssen an der Basis mehr tun, damit die Frauen in die höheren Positionen kommen.“
Ines Jesse: „Wir Frauen können auch Vorbilder sein. Ich arbeite sehr viel, bin oft um fünf Uhr schon auf und komme um 22 Uhr wieder heim. Auch am Wochenende habe ich Termine. Man gibt dabei als Frau auch viel auf. Trotzdem findet mein Sohn das toll. Er ist nun in die SPD eingetreten und möchte gern meinen Wahlkampf leiten. Es ist doch toll, wenn bei der Jugend ankommt, dass Frauen etwas können und dass man sie dabei unterstützen muss.“
Barbara Richstein: „In der Politik wird der Ton leider immer aggressiver. Das ist bei den Frauen nicht so. Frau Nonnemacher und ich sind in der Sache oft unterschiedlicher Meinung. Wir verstehen uns aber trotzdem sehr gut und trinken oft nach einem Termin noch ein Glas Wein zusammen oder fahren in einem Auto nach Potsdam.“
Ursula Nonnemacher: „In den Parteien gibt es inzwischen Frauen-Mentoring-Programme. Sie helfen dabei, Frauen, die Lust auf Politik haben, das nötige Rüstzeug mitzugeben.“
Ines Jesse: „Wir brauchen eine ‚Barrierefreiheit‘ auch in diesem Bereich. Wir müssen die entsprechenden Gesetze nicht nur verabschieden, sondern auch durchsetzen.“
Barbara Richstein: „Wenn man etwas ändern möchte an den politischen Gegebenheiten, dann kann man das nicht vom Sofa aus machen.“
Ursula Nonnemacher: „Ich habe festgestellt, dass Frauen eine gezielte Ansprache brauchen: ‚Du bist toll, du kannst das, komm in die Politik‘. Ich sage immer: Wenn keine Frauen da sind, die in ein politisches Amt drängen, dann müsst ihr euch eben welche suchen.“
Und: „Wir müssen politische Diskussionen stärken. Im Landtag wurde dafür der ‚Dialog P‘ aufgelegt. Wir Landtagsabgeordneten gehen in die Schulen, die sich beworben haben, und diskutieren mit den Schülern. Etwa über die Freigabe von Cannabis, über den Wolf oder über das Asylrecht. Die Schüler sind immer erstaunlich gut vorbereitet. Leider ist es aber so: Die Schulen, die es wirklich nötig hätten, die sind nicht mit dabei. Wir gehen immer nur in die Gymnasien und nicht in die Oberschulen.“ (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „FALKENSEE.aktuell – Unser Havelland“ Ausgabe 157 (3/2019).
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