Kinos zu, Theater zu, alles zu. Der Corona-Virus hat im Frühsommer 2020 für einen beispiellosen Shutdown der Kultur im ganzen Havelland gesorgt. Da ist es kein Wunder, dass die Menschen aus der Region ausgehungert nach Unterhaltung und Abwechslung lechzen: Nur in der eigenen Stube zu hocken wird doch auch irgendwann langweilig.
Enrico Gennrich von der Urst Agency und Tobias Brudlo vom TOBO Veranstaltungsservice waren aufgrund von Corona ebenfalls die Hände gebunden. In normalen Zeiten organisieren die Beiden gern große Events wie etwa den „Open Air Mega Schlager Frühling“ oder die „Freilicht Disco“ in der Freilichtbühne Nauen.
Doch anstatt nur deprimiert auf den leeren Veranstaltungskalender zu schauen, entwickelten die beiden kurzerhand die Vision vom „ersten PopUp Autokino im Havelland“. Nach recht kurzer Vorbereitungsphase und einer soliden Unterstützung durch Nauens Bürgermeister Manuel Meger ging es am 28. Mai auch schon los mit dem „Autokino Nauen“ (www.autokino-nauen.de) – direkt am Sägewerkplatz gleich neben dem Rathausplatz Nauen.
Die ungenutzte Wiese neben dem Finanzamt wurde von Enrico Gennrich und Tobias Brudlo hergerichtet und abgesperrt. So wurden Autoreifen als Abstandshalter verbuddelt. Mit weißer Farbe wurden die einzelnen Stellplätze markiert. Einbahnstraßenschilder weisen auf die gewünschte Fahrtrichtung durch die Reihen hin, damit sich die Autos der Kinogäste beim Einparken nicht plötzlich Schnauze an Schnauze gegenüber stehen. Sechs Leute sind an einem Autokino-Abend vor Ort, um den gesamten Ablauf zu kontrollieren.
Enrico Gennrich, den alle nur Enno rufen: „Wir waren überrascht, dass die Nachricht von unserem Autokino wie eine Bombe eingeschlagen hat. Unser Telefon stand nicht mehr still, sogar das Fernsehen war da und hat uns gefilmt.“
Tobias Brudlo: „Es gab ja ganz früher einmal ein Kino in Nauen. Tatsächlich leitete meine Oma Lore Grasse damals das Kino im Theater der Freundschaft. Es liegt also in der Familie.“
Ein wenig Bürokratie mussten die beiden angehenden Kinobetreiber vor dem Start auch noch in den Griff bekommen.
Tobias Brudlo: „Unsere LED-Großbildleinwand musste exakt sieben Meter von der Grundstücksgrenze entfernt stehen. Und wir mussten auch für das temporäre Errichten unserer Leinwand eine echte Baugenehmigung einholen. Ich will gar nicht sagen, wie viele Seiten unser Antrag hatte. Zwölf Stunden hat es übrigens gebraucht, um die Leinwand am Ende aufzubauen.“
Enrico Gennrich: „Um aktuelle Kinofilme ausleihen und vorführen zu dürfen, brauchten wir außerdem die Unterstützung eines echten Kinos. Das hat zum Glück sehr gut funktioniert.“
Der erste Film, der am 28. Mai auf dem Nauener Gelände gezeigt wurde, war „Ziemlich beste Freunde“. Für Enrico Gennrich war der Start eine komplett neue Erfahrung: „Normalerweise, wenn wir ein großes Event durchführen, drücken wir irgendwann gemeinsam auf den Start-Knopf – und dann geht die Party sofort richtig los. Beim Autokino haben wir den Knopf gedrückt – und nichts ist passiert. Der Film startete, aber es war absolut nichts zu hören. Der Sound wurde ja nicht über Lautsprecher übertragen, sondern nur über das Autoradio direkt in die Autos der Zuschauer. Das war für uns schon ein ganz komisches Gefühl.“
Die Zuschauer zahlen pauschal 20 Euro für jeden PKW – inklusive zwei Zuschauern. Wer sein Auto mit mehr Leuten vollstopfen möchte, muss zusätzliche Einzeltickets buchen. Ebenfalls auf der Homepage des Autokinos können die Kinobesucher Getränke vorbestellen und Snacks wie Popcorn, Chips und Erdnüsse ordern. Die Bestellungen werden bei der Ankunft auf dem Gelände in einer braunen Papiertüte durch das Autofenster gereicht.
Tobias Brudlo: „Bis zu achtzig Fahrzeuge finden Platz auf unserem Sägewerkplatz. Bei den ersten Vorstellungen waren etwa fünfzig Autos da. Vielleicht haben sich trotz der guten Vorberichterstattung wegen Corona ja doch noch nicht gleich alle Kinofreunde getraut, das Autokino zu besuchen.“
Zunächst einmal: Die Leinwand im Autokino Nauen ist so hell, dass sie auch schon bei Tageslicht ein sehr gutes Bild zeigen kann. Sie ist so aufgestellt, dass man eigentlich auf jedem Parkplatz in der gefühlt ersten Reihe sitzen sollte. Der Sound kommt über das Radio, hier muss manuell die Frequenz 97,0 eingestellt werden. Der Sound ist gut, zeigt aber bei lauten Actionszenen mitunter ein störendes Knarzen. Das mag aber abhängig vom eingesetzten Radio bei jedem Auto anders sein.
Auf jeden Fall ist es ungewöhnlich gemütlich, einen Film aus dem eigenen Auto heraus zu schauen: Man kann den Sitz ja jederzeit verstellen, um eine perfekte Sitz- oder Liegeposition zu erreichen. Und wer weiß, wie viele Pärchen das nächtliche Autokino nicht gleich zum sündigen Kuscheln missbrauchen?
Matthias Hoschek aus Wansdorf war das erste Mal in Deutschland im Autokino – er hat sich „Jumanji – The Next Level“ angesehen: „Bislang war ich nur einmal in den USA in einem Autokino. Da war alles noch ganz im Stil der 70er Jahre. Der Sound kam von vorne aus großen Lautsprechern. Während des Films bekam man ein Schaumstofftablett in die Tür gehängt – und konnte sich heiße, fettige Burger bestellen.“
Die Liste der Filme, die im Autokino Nauen zu sehen sind, kann sich sehen lassen. Auf dem Programm stehen so etwa Kultfilme wie „The Fast and the Furious“, „Ich einfach Unverbesserlich“, „Honig im Kopf“, „Bad Boys 2“, „Manta Manta“ oder „Hangover“, aber auch noch halbwegs aktuelle Streifen wie „Transformers: Ära des Untergangs“, „Spider-Man: Homecoming“, „PETS 2“ oder „Das Perfekte Geheimnis.“
Tobias Brudlo, dessen Lieblingsfilme aus dem aktuellen Programm „Werner Beinhart!“ und „Manta Manta“ sind: „An topaktuelle Kinofilme kommen wir zurzeit leider nicht heran. Allerdings gibt es zurzeit auch keine wirklich aktuellen Streifen. Durch Corona haben die Kinos in ganz Deutschland seit Wochen geschlossen. Viele große Hollywood-Studios haben ihre aktuellen Filme deswegen gleich in ihre Streaming-Portale umgeleitet oder den Starttermin der kommenden Blockbuster auf das nächste Jahr gelegt.“
Das Autokino Nauen hat an drei Tagen in der Woche geöffnet. Am Donnerstag gibt es einen Film um 20 Uhr, am Freitag zwei Filme um 17 und um 20 Uhr und am Sonnabend drei Filme um 13, 17 und 20 Uhr.
Der Name „PopUp Autokino“ sagt es bereits aus – das Autokino Nauen hat nur temporären Charakter und wird keine Dauereinrichtung werden. Tobias Brudlo: „Das Autokino Nauen läuft zunächst einmal zwei Monate lang, dann schauen wir, wie die Resonanz war, und überlegen, wie es weitergeht. Wir haben ja auch beide noch einen richtigen Beruf, den wir gern wieder ausüben möchten, wenn Corona einmal wieder vorbei ist. Ich könnte mir aber gut vorstellen, aus dem Autokino ein Sommerkino zu machen, das jährlich wiederkehrend in der Freilichtbühne Nauen veranstaltet wird.“
Bis es so weit ist, könnte man das Autokino Nauen vielleicht – wenn die Corona-Eindämmungsverordnungen es denn zulassen – noch aufwerten, indem man einen Foodtruck oder zumindest einen Würstchengrill passend zu den Vorführungen auf dem Gelände aufstellt.
Bis es soweit ist, gibt es in der Nauener Nachbarschaft gleich mehrere Restaurants, die vor oder nach einem Film auf hungrige Gäste warten. (Text / Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „FALKENSEE.aktuell – Unser Havelland“ Ausgabe 172 (7/2020).
Der Beitrag Im Nauener Autokino: Das erste PopUp Autokino im Havelland ging an den Start! erschien zuerst auf FALKENSEE.aktuell.